1. Einführung

Brandenburg ist eines der 16 Länder der Bundesrepublik Deutschland. Es umschließt vollständig das Bundesland Berlin und grenzt an die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern (im Norden), Sachsen (im Süden), Sachsen-Anhalt (im Westen) sowie an die Republik Polen (im Osten). Brandenburg gehört zu den Ostbundesländern, den sogenannten neuen Ländern. Die Landeshauptstadt Potsdam liegt südwestlich von Berlin.

Die Nähe zur Bundeshauptstadt macht Brandenburg zu einem attraktiven Sitz für Gesellschaften, unternehmerisch Tätige und Fachkräfte die von der Wirtschaftsleistung Berlins profitieren und gleichzeitig die Standortkosten der Hauptstadt vermeiden möchten. Doch diese Nähe zu Berlin ist Segen und Fluch zugleich, denn die in Brandenburg herangezogenen Talente – Hochschulabsolventen und ausgebildete Fachkräfte – wandern in die Hauptstadt ab. Brandenburgs Herausforderung besteht darin, Nutzen aus seinen Stärken zu ziehen und ein ansprechendes Umfeld für die vor Ort ausgebildeten Fachkräfte zu schaffen, damit diese auch im Land verbleiben.

Mit 2,5 Millionen Menschen macht Brandenburgs Bevölkerung 3 % der Gesamtbevölkerung Deutschlands aus. Experten schätzen, dass sie in den nächsten 20 Jahren schrumpfen wird. Die Bevölkerung gehört deutschlandweit schon jetzt zu den ältesten und laut Schätzungen wird das Durchschnittsalter noch weiter ansteigen. Dieser demografische Wandel hat Auswirkungen auf das Qualifikationsprofil der Bevölkerung und damit auf den regionalen Arbeitsmarkt.

Gleichzeitig befindet sich die Brandenburger Wirtschaft in einem starken Wandel, wodurch sich neue Perspektiven für hochqualifizierte Arbeitskräfte eröffnen. Im Zuge dessen hat das Bundesland seine Bemühungen um eine Diversifizierung der Wirtschaft in Richtung saubererer und stärker wissensintensiver Branchen intensiviert. Dazu gehören die Entwicklung moderner Fertigungsverfahren, die Förderung unternehmerischer Aktivitäten an landeseigenen Hochschuleinrichtungen sowie innovativer Arbeits- und Lebensorte und der schrittweise Ausstieg aus der Kohleförderung zugunsten von Technologien der nächsten Generation. Dies wird ergänzt durch Spillover-Effekte aus der Berliner Startup-Szene.

Als treibende Kraft in der Kompetenzbildung und Forschung wird der Hochschulbereich dem Land helfen, wirtschaftliche Chancen zu nutzen und Fachkräfteengpässe zu überwinden.

Diese Untersuchung soll die Brandenburger Behörden, insbesondere das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur (MWFK), und Hochschulen bei der Verbesserung der Bildungsergebnisse und des Qualifikationsniveaus der jungen Brandenburger sowie bei der Um- und Höherqualifizierung von älteren Lernenden unterstützen. Letztlich soll dies der wirtschaftlichen Entwicklung und der sozialen Inklusion im Land dienen. Zu den wichtigsten beteiligten Behörden gehört das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg (MWFK).

Die OECD sollte Analysen durchführen, Beispiele bewährter Praktiken anderer Rechtsordnungen sammeln und Politikempfehlungen aussprechen, um das MWFK bei der Erstellung einer neuen Hochschulentwicklungsplanung zur besseren Angleichung des Hochschulangebotes an den aktuellen und zukünftigen Bedarf der Brandenburger Wirtschaft zu unterstützen. Zu diesem Zweck hat die OECD:

  • anhand zahlreicher verfügbarer Dokumente sowie vergleichbarer internationaler und deutschlandspezifischer Informationen folgende Aspekte im Land Brandenburg analysiert und ermittelt: die aktuelle politische Lage in Bezug auf Hochschulbildung und Kompetenzentwicklung, Zugangsmöglichkeiten zur Hochschulbildung, Studierendenprofile und Absolventenlaufbahnen.

  • ausgewählte (inter-)nationale Beispiele empfehlenswerter Praktiken analysiert, um die Handlungsempfehlungen an staatliche Behörden, Hochschulen und andere wichtige Akteure, wie Brandenburger Schulen und Unternehmen, zu unterstreichen.

  • sich per Videoschaltung mit wichtigen Brandenburger Akteuren (staatliche Einrichtungen, Hochschulen, Studierende, Schulen und Unternehmen) beraten, um die Hintergründe des Vorhabens besser zu verstehen und Handlungsansätze zu besprechen.

Die Untersuchung wurde im Rahmen des Projekts „Analyse und Rat für eine erneuerte Strategie für Hochschulbildung für Brandenburg und Empfehlungen für die Kategorisierung Wissenschaftlicher Weiterbildung“ (Analysis and advice for a renewed tertiary education strategy for Brandenburg and guidance on categorisation of scientific continuing education) durchgeführt und von der Europäischen Union mittels des Programmes zur Unterstützung von Strukturreformen (SRSP) finanziert. Dafür arbeitete das MWFK eng mit den Brandenburger Hochschulen und der Generaldirektion Unterstützung von Strukturreformen (GD REFORM) der Europäischen Kommission zusammen.

Daraus ist dieser Bericht entstanden, anhand dessen die Brandenburger Behörden und Hochschulen einen aktuellen, zusammenhängenden und wirksamen Handlungsrahmen für die Hochschulbildung entwickeln werden, der als Grundlage für eine neue Hochschulbildungsstrategie in Brandenburg dienen soll.

  • In Kapitel 2 wird der Rahmen für die Untersuchung des Hochschulsystems in Brandenburg gesteckt. Darin werden die wirtschaftlichen und demografischen Herausforderungen in Brandenburg unter Berücksichtigung demografischer Trends und daraus resultierender wirtschaftlicher Veränderungen erörtert. Mit dem Rückgang des Kohleabbaus und dem Aufschwung wissensbasierter Branchen (z. B. moderne Produktion und Gesundheitswesen) wird der Qualifikationsbedarf auf dem Arbeitsmarkt steten Veränderungen unterliegen. Diese Veränderungen werden sich stark auf das Brandenburger Hochschulsystem auswirken. In diesem Kapitel wird ebenfalls verdeutlicht, welchen Beitrag Brandenburgs Hochschulsystem zu weiteren wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten im Land leisten kann.

  • In Kapitel 3 geht es um die Organisation des Hochschulsystems. Im Einzelnen werden die Hochschulgesetzgebung, die Steuerung und Finanzierung des Hochschulsystems durch die Landesregierung und die Governance- und Managementkonzepte der einzelnen Hochschulen betrachtet. Darüber hinaus werden die verschiedenen Studiengänge aufgeführt und die Schwierigkeiten geschildert, die das Hochschulsystems überwinden muss.

  • In Kapitel 4 wird erörtert, wie Brandenburg jungen Leuten den Zugang zu seinem Hochschulsystem ermöglicht. Dabei geht es um den Übergang vom sekundären in den tertiären Bildungsbereich, Berufs- und Studienberatung und -orientierung von Sekundarschülern und den Trend unter Brandenburgs Schulabgängern, ein Hochschulstudium aufzunehmen. Im Vordergrund stehen die Entscheidungen der Schulabgänger und die Faktoren, die bei der Wahl des Studienortes eine Rolle spielen.

  • In Kapitel 5 werden die Leistungen der Studierenden an den brandenburgischen Hochschulen betrachtet. Der Schwerpunkt liegt auf dem Profil der Studierendenschaft im Land Brandenburg einschließlich der internationalen Studierenden. Dafür werden Erfolgsmaßstäbe des Brandenburger Hochschulsystems – wie Abschlussquoten und die benötigte Semesteranzahl bis zum Qualifikationsabschluss – mit denen anderer Bundesländer verglichen. Darüber hinaus wird das Finanzierungssystem zur Unterstützung von Hochschulstudierenden betrachtet.

  • In Kapitel 6 wird beleuchtet, wie sich das Studium an Brandenburgs Hochschulen auf den beruflichen Werdegang der Absolventen auswirkt. Es wird deutlich, dass die Beschäftigungsquote der Brandenburger Hochschulabsolventen im Vergleich zu jenen anderer Regionen hoch ausfällt. Allerdings finden viele unter ihnen Anstellung in einem anderen Bundesland. Dieses Kapitel beschäftigt sich zudem damit, wie internationale Studierende mit einem Abschluss von brandenburgischen Hochschulen dazu beitragen können, Lücken auf dem Arbeitsmarkt im Land Brandenburg zu schließen.

  • In Kapitel 7 werden die Hochschulbildungsstrategien und -maßnahmen der Landesregierung vorgestellt. Es wird erörtert, welche Rolle das Hochschulsystem bei der Anpassung dieser Strategie spielen kann.

In den Kapiteln 2 bis 7 wird eine Situationsanalyse vorgenommen. Darin werden zunächst die gegenwärtigen Regelungen und Trends beschrieben. Im Anschluss erfolgt eine Leistungseinschätzung anhand von Betrachtungen von Herangehensweisen an ähnliche Herausforderungen in anderen OECD-Ländern. Die Kapitel 3 bis 7 geben zudem Hinweise darüber, wie Brandenburgs Hochschulsystem diese Herausforderungen in Zukunft angehen könnte.

Brandenburgs Hochschulbereich bildet hochqualifizierte Arbeitskräfte aus und schafft eine solide Forschungsbasis für die Wirtschaft des Landes. Gewährleistet wird dies u. a. durch das Angebot von Fachrichtungen, die arbeitsmarktrelevante Kompetenzen vermitteln, die Schaffung von Anreizen für internationale Studierende, besonders in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik), und die Steigerung der Studienattraktivität, insbesondere durch eine bessere Unterstützung der Studierenden und durch flexiblere Angebote. Die Stärken des Brandenburger Hochschulsystems lassen wie folgt sich zusammenfassen:

  • Die Lehr- und Forschungsprofile der acht staatlichen Hochschulen in Brandenburg ergänzen sich. Jede Hochschule hat sich auf bestimmte Fachrichtungen spezialisiert, in denen sie über einen exzellenten Ruf verfügt. Daraus ergibt sich, dass die Absolventen von Brandenburger Hochschulen beim Eintritt in den Arbeitsmarkt, sei es in Brandenburg selbst oder über die Landesgrenzen hinaus, gute Beschäftigungsergebnisse erzielen.

  • Die Hochschulen können immer mehr internationale Studierende für Programme gewinnen, für die ein besonders hoher Bedarf am Arbeitsmarkt besteht, insbesondere in den Bereichen der Wirtschaftswissenschaften und der MINT-Fächer. Diese Studierenden verfügen über großes Potenzial, nach ihrem Abschluss einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes zu leisten.

  • Durch verbesserte Beratungs- und Unterstützungssysteme und flexiblere Studienangebote und Zugangsmöglichkeiten ebnen die Hochschulen den Studierenden den Weg zu größerem Erfolg im Studium. So wurden zusätzliche Orientierungsprogramme zur Förderung der erfolgreichen Beendigung des Studiums geschaffen, und die Studierenden nutzen diese gut. Auch die Studienangebote und Zugangsmöglichkeiten fallen flexibler aus, sodass auch verstärkt Menschen ohne Abitur von einer Hochschulbildung profitieren können.

  • Die Landesregierung bemüht sich zudem, Studierende zu gewinnen und ihren Bedürfnissen in zunehmendem Maße gerecht zu werden. Das für die Hochschulbildung zuständige Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur (MWFK) hat zwei Strukturen geschaffen, die eine wichtige Rolle in der Gewinnung von Studierenden für ein Hochschulstudium in Brandenburg spielen. Das ist zum einen das Netzwerk Studienorientierung, ein Kooperationsprojekt der staatlichen Brandenburger Hochschulen. Als größter Anbieter von Berufs- und Studienberatung in Brandenburg ist es an den Hochschulen vertreten und Ansprechpartner für alle brandenburgischen Schulen. Jedes Jahr organisiert das Netzwerk rund 1.000 Veranstaltungen, von denen viele pandemiebedingt inzwischen online stattfinden. Zum anderen gibt es die Präsenzstellen, die Studieninteressierten und Unternehmen in nicht metropolnahen Gebieten des Landes die Hochschulen näherbringen.

  • Die Verbesserung von Bildungsmöglichkeiten in MINT-Fächern hat sowohl bei der Regierung als auch bei den Hochschulen einen hohen Stellenwert. In diesem Bereich liegt ein besonderer Schwerpunkt auf dem Ingenieurwesen, für das in Brandenburg besonders hoher Bedarf herrscht. Brandenburgs technische Hochschulen haben ihr Studienangebot umstrukturiert und ihren Forschungsschwerpunkt neu ausgerichtet, um attraktiver für Studierende zu werden und besser mit der Wirtschaft vernetzt zu sein. Darüber hinaus werden in zunehmendem Maße duale Studiengänge angeboten, in denen die akademische Lehre mit der praktischen Erfahrung in einem Unternehmen sowie der Ausbildung an einer Berufsschule kombiniert wird. Diese sind ein vielversprechender Weg, um mehr Jugendliche für eine Hochschulausbildung zu gewinnen und qualifizierte Arbeitskräfte an Brandenburgs Wirtschaft zu binden.

Trotz zahlreicher Stärken steht das brandenburgische Hochschulsystem aber auch vor Herausforderungen. Diese reichen von Prognosen über sinkende Einschreibungen bis hin zu Finanzierungsschwierigkeiten, die sich sowohl auf die Studierenden als auch auf die Hochschulen selbst auswirken. Es folgt eine Zusammenfassung dieser Herausforderungen:

  • Es wird geschätzt, dass die Landesbevölkerung über die kommenden 20 Jahre schrumpft und altert, was wahrscheinlich zu einer niedrigeren Teilnahme an der Hochschulbildung führen wird.

  • Unter allen Bundesländern fällt der direkte Übergang von der Sekundarbildung in die Tertiärbildung in Brandenburg am niedrigsten aus. Nur knapp zwei Drittel der Hochschulzugangsberechtigten vollziehen tatsächlich den Schritt in den tertiären Bildungsbereich.

  • Die Teilnahme der Brandenburger Jugendlichen an der Hochschulbildung wird durch mehrere Faktoren beeinflusst: So werden potenzielle Studierende, darunter insbesondere weibliche und benachteiligte Studierende, von der Aufnahme eines Hochschulstudiums abgehalten, da sie die Kosten für eine solche als hoch und gleichzeitig den Nutzen einer Berufsausbildung als vergleichsweise höher empfinden. Auch die relativ niedrigen Erwartungen der Schulabgänger und ihrer Eltern über den Abschluss der tertiären Bildung stellen ein Hindernis dar. Und schließlich wird die Teilnahme an der Hochschulbildung durch die räumliche Distanz zu den Hochschulen aufgrund der ländlichen Struktur des Landes und der Standorte der Hochschulen erschwert.

  • Dass die Kosten einer Hochschulbildung als hoch wahrgenommen werden, hat verschiedene Ursachen. Zum einen bieten Schulen nicht ausreichend Beratung über Studienfinanzierungsmöglichkeiten. Zum anderen machen viele Schulen keinen Gebrauch von ihrem Recht, Studieninteressierte für ein Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes zu nominieren.

  • Das starre Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) behindert sowohl die Aufnahme als auch die Beendigung eines tertiären Bildungsprogrammes in Brandenburg. Im Durchschnitt sind die Studierenden in Brandenburg älter und benötigen mehr Zeit für den Abschluss ihres Studiums als in anderen Bundesländern. Dadurch verringert sich ihr Anspruch auf finanzielle Unterstützung durch den Bund. Studierende mit niedrigem sozioökonomischem Status befinden sind in einer besonders schwierigen Situation: 41 % dieser Studierenden in Brandenburg (gegenüber nur 16 % in ganz Deutschland) haben keinen Anspruch auf BAföG, weil sie länger als die für ihren Studiengang vorgeschriebene Regelstudienzeit eingeschrieben sind.

  • Unsicherheiten im Hinblick auf Finanzierungsmöglichkeiten beeinflussen das Weiterbildungsangebot der acht staatlichen Hochschulen.

  • An der Kompetenzentwicklung sind verschiedene Landesministerien beteiligt, aber ihre Bemühungen sind nicht vollständig aufeinander abgestimmt. Ein leistungsfähiges Hochschulsystem trägt zur Entwicklung von Kompetenzen und zum Ausbau der Forschungs- und Innovationskapazität bei, die für eine wissensintensivere Wirtschaft innerhalb des Landes notwendig sind. Allerdings verweisen die Strategien für die Entwicklung von Kompetenzen und der Wirtschaft nur im begrenzten Maße auf die Hochschulbildung.

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