1887

OECD Multilingual Summaries

OECD SME and Entrepreneurship Outlook 2019

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OECD‑Ausblick KMU und Entrepreneurship 2019

Zusammenfassung in Deutsch

Als vorherrschende Unternehmensform mit dem größten Beschäftigungsanteil tragen kleine und mittlere Unternehmen (KMU) maßgeblich zur Gewährleistung eines inklusiveren und nachhaltigeren Wachstums sowie zur Stärkung der wirtschaftlichen Resilienz und des sozialen Zusammenhalts bei. Tatsächlich entfallen im OECD‑Raum rd. 60% der Beschäftigung und 50‑60% der Wertschöpfung auf KMU und in vielen Regionen und Städten sind sie die wichtigsten Triebkräfte für Produktivität. Zugleich stoßen kleinere Unternehmen aufgrund ihrer Größe seit Langem auf Hürden – in Bezug auf die strengen Rahmenbedingungen für Unternehmen und den Zugang zu strategischen Ressourcen. In der Praxis gilt mittelständischen Unternehmen ein besonderes Augenmerk der Politik. KMU nehmen auf der Politikagenda vieler Länder, die sich um Lösungen für die mit der Globalisierung und der Digitalisierung einhergehenden Herausforderungen bemühen, einen zentralen Platz ein.

In den OECD‑Ländern ist die KMU‑Struktur insgesamt weitgehend vergleichbar und stabil, wobei die KMU in der Regel in bestimmten Dienstleistungsbereichen mit geringerem Ressourcenbedarf konzentriert sind. Es finden allerdings zahlreiche dynamische Veränderungen statt, insbesondere in den von der digitalen Transformation besonders stark betroffenen Bereichen. Bei KMU handelt es sich um eine sehr heterogene Gruppe von Unternehmen, deren Produktivität, Löhne und internationale Wettbewerbsfähigkeit je nach Branche, Region und Unternehmen erheblich variieren.

Die Zahl der Unternehmensgründungen ist gestiegen, insbesondere im Dienstleistungsbereich, neue Stellen wurden aber vor allem im Niedriglohnsegment bzw. in Sektoren mit geringer Produktivität geschaffen

Die Gründungsaktivität hat in vielen Ländern wieder ihr Vorkrisenniveau erreicht. Die KMU kurbelten im Zeitraum 2010‑2016 das Beschäftigungswachstum im Sektor der marktbestimmten Dienstleistungen an, namentlich im Groß‑ und Einzelhandel.

Die meisten Unternehmensgründungen und neuen Stellen wurden in Sektoren mit unterdurchschnittlichem Produktivitätsniveau verzeichnet. Bei den Neugründungen handelt es sich häufig um kleinere (und somit wahrscheinlich weniger produktive) Unternehmen. Zudem hat das Produktivitätsgefälle zwischen kleineren und größeren Unternehmen insgesamt zugenommen, wenngleich die kleinen und mittleren Unternehmen im Dienstleistungssektor in einigen Ländern produktiver sind als Großbetriebe.

Mehr Arbeitsplätze mit geringer Produktivität bedeuten mehr Arbeitsplätze im Niedriglohnsegment. Beschäftigte in KMU, und zwar selbst in den größeren, verdienen in der Regel 20% weniger als Beschäftigte in Großunternehmen. In Frankreich etwa wurden zwischen 2010 und 2016 knapp 90% aller neuen Arbeitsplätze in Tätigkeitsbereichen mit unterdurchschnittlichem Lohnniveau geschaffen. In Deutschland und im Vereinigten Königreich galt dies für zwei Drittel und in den Vereinigten Staaten für mehr als drei Viertel der neu geschaffenen Stellen.

Diese Zahlen werfen ein neues Licht auf die Lohnstagnation, die im OECD‑Raum in einem Kontext von wirtschaftlicher Erholung und Beschäftigungszuwächsen zu beobachten war. Die aktuelle Geschäftsdynamik belastet die Einkommen und den materiellen Wohlstand. Dies könnte die Aus‑ und Weiterbildungsaussichten der Arbeitskräfte, die Tragfähigkeit der Alterssicherungssysteme, die Breite der Steuerbasis und die öffentliche Akzeptanz des technologischen Wandels und der Globalisierung gefährden.

Innovation ist der Schlüssel zur Steigerung der Produktivität, und die Digitalisierung bietet KMU neue Chancen, an der nächsten Revolution in der Fertigung teilzuhaben …

Innovationen sind Voraussetzung für eine Steigerung der Produktivität und einen Anstieg der Löhne. Neue digitale Technologien wie Big Data Analytics, künstliche Intelligenz und 3D‑Druck ermöglichen eine stärkere Produktdifferenzierung und eine kundenindividuelle Massenproduktion, ein besser integriertes Lieferkettenmanagement sowie neue digital erweiterte Geschäftsmodelle, die sich die Verringerung der räumlichen und zeitlichen Distanz zu den Märkten zunutze machen. Diese Entwicklungen dürften kleineren und reaktionsschnelleren Unternehmen Vorteile bringen.

Darüber hinaus fördert die Digitalisierung Open‑Source‑ und Open‑Innovation‑Ansätze, wobei große Unternehmen mit Business‑Akzelerator‑Programmen und Innovation Labs, durch die Start‑ups und innovative KMU Zugang zu Ressourcen und Märkten erhalten, zum Wandel der unternehmerischen Ökosysteme beitragen.

Im Zuge der Digitalisierung ist eine Reihe innovativer Finanzdienstleistungen für KMU entstanden, die von Peer‑to‑Peer‑Krediten über alternative Risikobewertungsinstrumente bis hin zu Initial Coin Offerings (ICO) reichen. Mischfinanzierungen gewinnen an Bedeutung und die Finanztechnologie bzw. Fintech spielt bei der KMU‑Finanzierung eine zunehmend wichtige Rolle.

Darüber hinaus erleichtert die Digitalisierung KMU den Zugang zu Kompetenzen, und zwar durch bessere Online‑Jobbörsen, Outsourcing, Online‑Auftragsvergabe bzw. Kontakte zu Wissenspartnern.

KMU, die im Bereich der Informations‑ und Kommunikationstechnologien (IKT) tätig sind, sind besonders gut positioniert, um sich die Vorteile der Digitalisierung zunutze zu machen. Trotz der Besorgnis über eine Marktkonzentration und eine „Winner‑takes‑all“‑Dynamik erhöhte sich der Anteil der KMU an der gesamten Wirtschaftstätigkeit im Zeitraum 2010‑2016 in fast allen OECD‑Volkswirtschaften. Um mehr als 10% wuchs der Wertschöpfungsanteil der KMU in Finnland im Bereich Programmierung, in Irland im Telekommunikationssektor sowie in Litauen und Italien im Verlagswesen.

Die Digitalisierung kann KMU auch die Integration in globale Märkte und Wertschöpfungsketten erleichtern

Im Zuge der Digitalisierung wurden wirksame Mechanismen geschaffen, um die größenbedingten Nachteile im internationalen Handel zu verringern. So zum Beispiel durch eine Senkung der absoluten Kosten, die durch Transport und Grenzformalitäten anfallen. Angesichts der weltweiten Fragmentierung der Produktion bieten sich kleineren Unternehmen nun außerdem beträchtliche Möglichkeiten, in spezialisierten Segmenten der Wertschöpfungsketten am Wettbewerb teilzuhaben und ihre Geschäftstätigkeit im Ausland auszubauen, und zugleich vom internationalen Wissensspillover und dem robusteren Wachstum in den aufstrebenden Volkswirtschaften zu profitieren.

Das Lohngefälle zwischen großen und mittelständischen Unternehmen fällt bei den exportierenden und den hochproduktiven KMU im Übrigen geringer aus, insbesondere bei jenen, die an der vordersten Front der digitalen Revolution stehen.

Die Marktbedingungen für KMU haben sich insgesamt verbessert, es zeichnen sich jedoch Risiken ab

Seit der globalen Finanzkrise haben sich die Marktbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen verbessert. Die KMU konnten ihre Gewinnmargen wieder steigern, die Kreditbedingungen sind günstig und es stehen mehr Finanzierungsmöglichkeiten zur Verfügung. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass das Wachstum nun seinen Höhepunkt erreicht hat, und vom schwachen Wirtschaftswachstum, dem Inflationsdruck und den Handelsspannungen gehen Risiken aus. Die Wertschöpfungsketten haben an Dynamik verloren und die weltweiten ausländischen Direktinvestitionen (ADI) sind auf den niedrigsten Stand seit 2013 gesunken. Sollte es erneut zu einer Konjunkturabschwächung kommen, dürfte der Mittelstand stark in Mitleidenschaft gezogen werden.

Das Argument, dass die Arbeitskosten Auslagerungen erforderlich machen, wird durch Automatisierung und 3D‑Druck infrage gestellt. Multinationale Unternehmen (MNU), die bemüht sind, die Resilienz und Flexibilität der Lieferketten zu erhöhen, könnten ihre Produktion erneut in den OECD‑Raum zurückverlagern – mit ungewissen Folgen für mittelständische Unternehmen. Inländische KMU könnten von der Rückverlagerung von Tätigkeiten profitieren. Bei KMU, die bereits in globale Wertschöpfungsketten eingebunden sind, könnte dies die Möglichkeiten der Teilhabe an Wertschöpfungsketten dagegen deutlich verringern.

Hinzu kommt, dass ausländische Direktinvestitionen zunehmend in den Erwerb digitaler Vermögenswerte fließen, was die Rolle multinationaler Unternehmen beim Aufbau der globalen digitalen Infrastruktur stärkt und die Bedeutung der Verflechtungen zwischen MNU und KMU für die technologische Modernisierung von KMU erhöht.

KMU müssen sich besser für den digitalen Wandel wappnen

KMU sind im Hinblick auf die Digitalisierung im Rückstand und je kleiner ein Unternehmen ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es digital erweiterte Geschäftspraktiken einführt. Außerdem gehen KMU beim Schutz ihrer Daten weniger proaktiv vor und sind für Cyberbedrohungen weniger gut gerüstet. Dadurch laufen sie Gefahr, schwache Knoten in komplexen, hochvernetzten Infrastruktursystemen zu werden.

KMU verfügen überdies mit geringerer Wahrscheinlichkeit über die zur Bewältigung der digitalen Transformation erforderlichen Kompetenzen, und nach wie vor setzen zu wenige von ihnen auf eine IKT‑Fortbildung ihrer Beschäftigten. Hinzu kommt, dass sich KMU weiterhin mit einem Fachkräftemangel konfrontiert sehen, insbesondere bei Management‑, Kommunikations‑ und/oder Problemlösekompetenzen, die für Innovationen entscheidend sind.

Um das Kompetenzgefälle abzubauen, müssen die jüngsten Fortschritte, die in Bezug auf die berufliche Ausbildung und die Verringerung des Fortbildungsrückstands gegenüber großen Unternehmen erzielt wurden, vorangetrieben werden. Die Zunahme atypischer Beschäftigungsverhältnisse könnte Outsourcing‑Möglichkeiten eröffnen, aber auch die Schwierigkeiten von KMU, langfristig gute Mitarbeiter und Fachkräfte zu finden, verschärfen.

Die Politikansätze der Länder in Bezug auf KMU‑ und Entrepreneurship werden zunehmend vielfältiger

Zwar verfolgen die Länder im OECD‑Raum und darüber hinaus in Bezug auf KMU und Entrepreneurship die gleichen strategischen Ziele, die Ansätze zur Gestaltung und Umsetzung der Politik sind in den einzelnen Ländern jedoch sehr unterschiedlich.

Im Allgemeinen besteht die Schwerpunktsetzung in folgenden Maßnahmen: eine raschere Verbreitung von Innovationen in KMU zu gewährleisten und sicherzustellen, dass sie mit der digitalen Transformation Schritt halten; KMU für Fortbildungen zu gewinnen; Innovationsnetze auszubauen und die Verflechtungen zwischen MNU und KMU zu stärken; und auf den Produktmärkten, im öffentlichen Auftragswesen sowie auf innovativen Leitmärkten faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Außerdem haben die OECD‑Länder wachstumsfördernde Reformen eingeleitet, um den Verwaltungsaufwand und die Steuerlast zu verringern und eine intelligente Regulierung durchzusetzen. Das Tempo der Strukturreformen hat sich in den letzten Jahren allerdings verlangsamt, vor allem was Insolvenzregelungen und eine zweite Chance für einen geschäftlichen Neuanfang betrifft.

Dennoch gibt es eine Vielzahl von Ansätzen und – in einigen Bereichen – divergierende Sichtweisen, wie das Potenzial von KMU und Unternehmern erschlossen werden kann. Während einige Länder bemüht sind, KMU‑bezogene Gesichtspunkte systematisch in andere Politikbereiche einzubeziehen, entwickeln andere maßgeschneiderte Politikinstrumente für KMU, die oft mit verschiedenen standort‑ oder sektorspezifischen Politikmaßnahmen kombiniert werden.

So wurden beispielsweise innovationsfördernde Maßnahmen überarbeitet, um sie besser auf KMU auszurichten. In den meisten OECD‑Ländern erhalten KMU derzeit eine öffentliche FuE‑Förderung, die im Verhältnis höher ist als ihre tatsächlichen FuE‑Aufwendungen. Zudem werden weltweit Akzeleratoren und Inkubatoren gegründet, durch die sich Städte zu Zentren datenbasierter Innovationen und Experimente entwickeln. In einigen der Länder, die KMU helfen, global zu agieren, wurde die KMU‑Förderung in der nationalen Exportstrategie oder Industriepolitik verankert, andere wiederum haben gezielte Anreize für KMU und MNU geschaffen. Analog dazu setzen die Länder auch bei den Regulierungs‑ und Aufsichtsrahmen für Initial Coin Offerings auf völlig unterschiedliche Ansätze.

Auch im Hinblick auf qualitativ hochwertige öffentliche Dienstleistungen für KMU bringt die Digitalisierung grundlegende Neuerungen

Dank der Digitalisierung haben KMU Zugang zu qualitativ besseren öffentlichen Dienstleistungen, da sie einen effizienteren Austausch mit der öffentlichen Verwaltung und einen stärker nutzerzentrierten Ansatz in der Politikgestaltung ermöglicht. Anwendungen gibt es bereits in einer Vielzahl von Bereichen, die von Dienstleistungen für die Unternehmensentwicklung, Genehmigungssystemen und Steuerdisziplin bis hin zur Gerichtsbarkeit reichen.

E‑Government und spezielle Online‑Plattformen erleichtern Konsultationsverfahren und die Erbringung von Dienstleistungen für KMU. Die größere Verfügbarkeit von Daten und verhaltensökonomische Erkenntnisse geben Staaten die Möglichkeit, ihre Dienstleistungen und Verfahren besser auf die jeweiligen Nutzerpräferenzen abzustimmen, und schaffen zudem Raum für die Erprobung neuer Politikansätze (z.B. für eine systemgestützte Steuerdisziplin).

Durch Open‑Government‑Data‑Initiativen erhalten KMU kostengünstig Zugang zu neuen Daten und Unterstützung beim Aufbau eines Schutzrechtportfolios. Die Datenschutzrahmen werden gesetzlich gestärkt, mit dem Ziel, die Rechtsvorschriften der Länder zu harmonisieren und die Nutzung von geistigen Eigentumsrechten einfacher und vorhersehbarer zu machen.

Diese Entwicklungen erfordern ein innovatives Handeln der Politik und einen ressortübergreifenden Ansatz

Die Heterogenität der KMU, die Vielfalt ihrer unternehmerischen Ökosysteme und die drängenden Herausforderungen machen eine grundlegende Neuausrichtung der Politik für KMU‑ und Entrepreneurship erforderlich. Dazu bedarf es insbesondere eines ressortübergreifenden Ansatzes, der u.a. effiziente Mehrebenen‑Governance‑Strukturen für Staat, nachgeordnete Gebietskörperschaften, Regionen und Städte, internationales Peer‑Learning sowie einen Ausbau der Monitoring‑ und Evaluierungskapazitäten vorsieht.

Für eine effektivere Gestaltung, Umsetzung und Evaluierung von KMU‑ und Entrepreneurship‑Maßnahmen sind mehr und bessere Daten sowie robustere Befunde über Synergien, Komplementaritäten und Zielkonflikte zwischen verschiedenen Politikbereichen nötig. Mit diesem Ausblick für KMU und Entrepreneurship setzt die OECD ihr Engagement für eine stärkere internationale Zusammenarbeit fort, damit KMU und Unternehmer ihr Potenzial voll entfalten und zum Aufbau resilienterer, nachhaltigerer und inklusiverer Gesellschaften beitragen können.

© OECD

Übersetzung durch den Deutschen Übersetzungsdienst der OECD.

Die Wiedergabe dieser Zusammenfassung ist unter Angabe der Urheberrechte der OECD sowie des Titels der Originalausgabe gestattet.

Zusammenfassungen in Drittsprachen enthalten auszugsweise Übersetzungen von OECD-Publikationen, deren Originalfassungen in englischer und französischer Sprache veröffentlicht wurden.

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© OECD (2019), OECD SME and Entrepreneurship Outlook 2019, OECD Publishing.
doi: 10.1787/34907e9c-en

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